Markwalder verriet Kommissions-Geheimnisse
Vertrauliche Parlaments-Informationen landeten umgehend bei kasachischen Funktionären.
Die Kasachstan-Affäre um die beiden FDP-Nationalräte Christa Markwalder (39) und Walter Müller (67) zeigt, wie locker Politiker mit undurchsichtigen Lobbyisten umgehen. Zur Erinnerung: Markwalder reichte im Parlament einen Vorstoss ein, der in Kasachstan redigiert worden war. Müller liess sich eine Reise dorthin bezahlen. Beides deckte die NZZ auf. Als Scharnier zwischen den Schweizer Parlamentariern und einem kasachischen Parteifunktionär diente die Burson-Marsteller-Beraterin Marie-Louise Baumann (69).
SonntagsBlick-Recherchen zeigen nun, dass sogar vertrauliche Kommissionsunterlagen bei den kasachischen Auftraggebern landeten. Das beweisen Dokumente aus einem Archiv mit über 4500 Mails, das Unbekannte veröffentlichten.
Baumanns Auftraggeber war Asat Peruaschew (47), Chef der vermeintlichen Oppositionspartei Ak Schol. In einem Mail vom 9. November 2013 schickte ein kasachischer Mittelsmann Peruaschew vier ins Russische übersetzte Antworten des EDA auf Fragen Markwalders, die diese in der Aussenpolitischen Kommission (APK) eingereicht hatte.
Diese Antworten unterstehen dem Kommissiongeheimnis. Die Vermutung liegt nahe, dass Markwalder die vertraulichen Unterlagen an Baumann weiterreichte – und Baumann diese wiederum an ihre Auftraggeber sandte.
Markwalder beteuert, sie habe «nie vertrauliche Kommissionsprotokolle oder dergleichen nach Kasachstan geschickt!» Sie habe mit Baumann – «und nur mit ihr» – Informationen geteilt, die weder brisant noch als vertraulich klassifiziert seien. Gemäss Parlamentskollegen, sagt Markwalder, würden «Antworten auf thematische Fragen oft geteilt». Die rechtliche Regelung sei nicht klar. Es handle sich um einen Graubereich. Aus heutiger Sicht sei die Zusammenarbeit mit Baumann ein Fehler gewesen. «Ich würde nicht mehr so handeln», so Markwalder. «Ich wollte mich im Interesse der Schweiz für gute Beziehungen mit Kasachstan einsetzen.»
Lobbyistin Baumann sagt, es habe sich nicht um vertrauliche APK-Dokumente gehandelt. Laut den Parlamentsdiensten unterliegen jedoch «Unterlagen der Kommissionen der Vertraulichkeit». Dazu gehören schriftliche Antworten der Verwaltung auf Kommissionsfragen.
Andere Politiker bestätigen, sie hätten schon Kommissionsunterlagen an Interessenverbände weitergegeben. In diesem Fall aber verdiente eine PR-Firma offenbar Geld damit, vertrauliche Dokumente an Parteifunktionäre eines autokratischen Staats zu schicken. Baumann und Burson-Marsteller wollten sich nicht dazu äussern, ob es ethisch sei, vertrauliche Parlaments-Unterlagen an ausländische Auftraggeber weiterzuleiten.
Das APK-Leck beunruhigt Aussenpolitiker. Laut CVP-Nationalrätin Kathy Ricklin (62) steigt mit der Herausgabe vertraulicher Unterlagen die Gefahr, dass die Kommission künftig keine detaillierten Informationen aus erster Hand mehr erhält. «Solche Aktionen torpedieren die wichtige Kommissionstätigkeit», sagt sie.
Vertrauliche Kommissionsarbeit gehöre nicht an die Öffentlichkeit, sagt SP-Nationalrat Eric Nussbaumer (54). «Es ist besonders stossend, wenn vertrauliche Dokumente an Vertreter ausländischer Parteien weitergegeben werden.»
Das Ausmass der kasachischen Lobbyarbeit ist beträchtlich. Mails zeigen, dass der kasachische Funktionär Peruaschew drei der vier APK-Anfragen von Markwalder anregte, die dann via Baumann an Markwalder gelangten.
Bei einer Frage ging es um den Fall des Exil-Kasachen Viktor Khrapunow (66), der heute in der Schweiz lebt. Der Dissident ist der kasachischen Regierung ein Dorn im Auge. In einem Mail an Baumann schreiben die Kasachen, den Fall Khrapunow zu thematisieren, sei «das wichtigste Ziel» ihrer Bemühungen.
Die Kasachen waren mit der Lobby-Arbeit offenbar zufrieden. Am 15. Juni 2013 schrieb der Mittelsmann begeistert: «Marie-¬Louise, Danke für die Mitteilung, Asat (Peruaschew) schaut es nun an – sieht fantastisch aus!!!»
Und: Burson-Marsteller verrechnete ein Honorar für die Vermittlung eines Treffens von FDP-Nationalrat Ruedi Noser (54) mit Peruaschew im April 2013 in Astana, der Hauptstadt Kasachstans. Noser besuchte sie mit einer bundesrätlichen Wirtschaftsmission – organisiert von Economiesuisse. Reise und Hotels habe er selbst bezahlt, betont Noser.
Erhellend sind die Hintergründe zu einem Treffen mit Peruaschew im März 2013 im Bundeshaus-Restaurant Galerie des Alpes. Der Kasache traf dort neben Markwalder auch Ständerat Hans Stöckli (63) und Nationalrätin Margret Kiener Nellen (62), beide SP. Kurz danach meldete sich der kasachische Vermittler besorgt bei Baumann: Welcher dieser Politiker einen drohenden parlamentarischen Vorstoss zu den Genfer Immobilien der kasachischen Präsidententochter Dinara Kulibajewa unterstützen würde?
Die Nähe zu solchen Politikern seien für ihn, Peruaschew, ein Problem, er wäre beim Regime diskreditiert. Baumann antwortete, Markwalder würde solch eine Anfrage nicht unterzeichnen, Stöckli ebenfalls eher nicht. Sie mahnte aber: «In der Politik ist es schwierig, solche Sachen mit Sicherheit zu sagen. Sorry, dass ich dir keine Garantie geben kann.»
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Quelle: Sonntags Blick