“Kasachstans Präsident führt mit mir einen Krieg”
Nach dem Umzug nach Genf veröffentlicht Wiktor Khrapunow ein Buch, in welchem er den gegen Diktator Nasarbajew Front macht.
Der ehemalige Bürgermeister der Stadt Alma -Ata in Kasachstan Wiktor Khrapunow, der schon seit 6 Jahren im Exil ist, hat Genf zu seinem Aufenthalt gewählt, wo er mit seiner Frau, einer Geschäftsfrau mit dem Vermögen von etwa 300 Millionen Franken, lebt. Vor Kurzem hat er ein Buch mit dem Titel “Nasarbajew, Ihr Freund Diktator” veröffentlicht, in dem er von seinem Schicksal und seiner Liebe zu Kasachstan, von seiner Karriere, welche er als Büroapparatefahrer angefangen hat, sowie von Missgunst nach der Ablehnung des diktatorischen Regimes erzählt, das in der ehemaligen Sowjetrepublik seit 1991 herrscht.
Ein Schweizer Gericht hat da Verfahren vom Schwiegersohn von Nasarbajew eingestellt und seine Konten wurden freigegeben. Ist das eine Niederlage für Gegenpartei des Präsidenten?
– Nein, ich bin davon überzeugt, dass, das System vom “Schmiergeld”, realisiert durch Timur Kulibajew, Schwiegersohn des Präsidenten, eines Tages ans Licht kommt. Das Schweizer Gericht hat ihn nicht freigesprochen, sondern nur das Verfahren eingestellt. Im Fall einer neuen Tat kann das Verfahren reassumiert werden.
Mukhtar Abljasow, Vertreter der Gegenpartei des Präsidenten, mit dem Sie in einer Verwandtschaftsbeziehung stehen, wurde in Frankreich für Geldunterschlagung mit Benutzung der Dienststellung in Haft genommen. Er ist in Ihren Augen ein Opfer?
– Ja. Nach der rücksichtslosen Ausbeutung der Naturreichtümer des Landes warf Nasarbajew das Auge auf die Banken, deren Eigentümer er aus dem Land vertrieb oder ins Gefängnis brachte. Eines Tages hat er Abljasow zu sich gerufen und verlangt, dass er ihm seine Bankaktiva ausliefert.
Der Letztere hat diese Forderung abgelehnt und schon damals war es ihm ganz klar, dass er verhaftet sein wird. Am selben Tag ist er nach Großbritannien geflogen, wo ihm politisches Asyl bereitgestellt wurde. Am nächsten Tag wurde seine Bank durch das kasachische Sondereinsatzkommando eingenommen. Um seine Ziele zu erreichen, hat Nasarbajew 2005 den ehemaligen britischen Premierminister Tony Blair als Berater engagiert. In der Folge heißt der Richter, der die Entscheidung über die Auspfändung der Aktiva von Abljasow und über die Beschlagnahme seines Passes traf, William Blair, welcher Bruder von Toni ist. Der Richter, der Abljasow zu 22 Monaten Gefängnis verurteilt hat, Nigel Tir, ist ein Verwandter von Blairs. Nigel Tir und William Blair haben 2005 Kasachstan zusammen besucht, um den Präsidentschaftswahlkampf zu überwachen. Was für die Anforderung der Ukraine über die Auslieferung angeht, die Entscheidung über welche am 9. Januar durch Organe der Justiz von Frankreich getroffen sein werden, sind hier politische Motive offensichtlich. Da Paris mit Kasachstan kein Auslieferungsabkommen hat, sehe ich hier einen Beweis für eine Verschwörung zwischen der Ukraine und Kasachstan, gerichtet auf die Übertragung des politischen Gegners. In meinen Augen – und ich sage es jetzt nicht, weil seine Tochter mit meinem Sohn verheiratet ist – ist Abljasow ein extrem begabter Finanzier. Nasarbajew sollte seine Fähigkeiten nutzen.
Sie und Ihre Verwandten sind Beteiligte im Verfahren bezüglich der Geldwäsche. Auf welcher Etappe befindet sich dieses Verfahren?
– Nasarbajew benutzt das Gerichtssystem von Kasachstan für den Krieg mit mir. Ich habe und hatte auch früher kein Konto in der Schweiz. Das Konto von meiner Frau wurde gesperrt, und das ist wahr. Wir werden beweisen, dass seine Beschuldigung bezüglich der Geldwäsche unbegründet ist.
In Ihrem Buch erwähnen Sie oft die KNB, Kasachstans Geheimdienst. Warum?
– Jeder Einwohner von Kasachstan stößt im täglichen Leben mit dem KNB zusammen, die in der Art der ostdeutschen „Stasi“ arbeitet. Sehen Sie, in Kasachstan gibt es drei Mobilfunkbetreiber, jeder von ihnen in der Führung der Töchter des Präsidenten. Dies ist ein Weg, den Zugang zu einem beliebigen Gespräch zu haben. Der Präsident ist immer im Bilde, wer spricht und mit wem.
Die Verfahren, deren Beteiligte Bürger von Kasachstan sind, werden in Genf oft als der Krieg der Familiengemeinschaften angesehen. Sind Sie auch dieser Meinung?
– Heute gibt es in Kasachstan keine anderen Familiengemeinschaften außer der Familiengemeinschaft des Präsidenten. Es gibt auch keinen Krieg in Genf oder in der Schweiz. Es gibt einen Krieg, den Nasarbajew gegen mich führt. Ich verließ das System, das nicht mehr ertragen konnte, da ich verstanden habe, sein einziges Ziel war es, unbegrenzte, absolute Macht zu erhalten. In Kasachstan ist alles unter seiner Kontrolle: Wirtschaft, Politik, Justiz – alles.
Sie waren ein Kandidat für den Posten des Ministerpräsidenten. Wenn Sie berufen worden wären, hätten Sie Ihr Buch nicht geschrieben haben?
– In meinem Buch erzähle ich die Wahrheit. Ich war bereit, den Posten des Ministerpräsidenten anzunehmen. Heute bin ich ein ausgesprochener Gegner der Nasarbajew -Regime. Ich war Bürgermeister der wichtigsten Stadt im Land, Minister, Mitglied der Regierung, und in allen Positionen habe ich Reformen durchgeführt. Ich war Manager und kein Politiker. Beim Entstehen eines Problems, das eine Lösung benötigt, hat man mich gerufen. Als Ministerpräsident würde ich in der Lage sein, das Leben der Menschen in Kasachstan zu verbessern. Heute haben die meisten von ihnen kaum Subsistenzmittel, während die Nasarbajew –Familiengemeinschaft alle grundlegenden Ressourcen des Landes an sich genommen hat.
Was ist das offensichtlichste Beispiel dafür?
– Der ganze Gas-und Erdölsektor ist die “Krippe” ausschließlich für Nasarbajew-Familiengemeinschaft. Zahlreiche “Perlen” der Sowjetzeit waren zum niedrigen Preis solchen Unternehmen wie Glencore oder Mittal verkauft. Nasarbajew war daran beteiligt und bekam seinen Gunsten.
Sie schreiben, dass Kasym Zhomart Tokajev, der ehemalige Direktor der UNO-Abteilung in Genf, die Rolle eines Lobbyisten in der Schweiz spielte. Woran lag diese Rolle?
– Kasym Zhomart Tokajev hat den Fonds zur Werbeaktion des positiven Bildes von Nasarbajew in der Schweiz gegründet. Er präsentierte den Präsidenten als einen Kämpfer für nukleare Abrüstung. Seine Kinder erhielten das Vermögen im Land als Belohnung für die Loyalität. Er wurde in die Lobbyarbeit eingewickelt, um die “Kasachheit” abzustellen – das in der Schweiz initiierte Verfahren nach dem Entdecken von $ 84.000.000 auf persönlichen Konten von Nasarbajew, überwiesen durch Erdölgesellschaften als Bestechungsgeldern. Der Präsident, seine Schwiegertochter und der ehemalige Ministerpräsident wurden sogar in die Rote Liste der Interpol eingetragen. Ich verstehe nicht, warum vor Nasarbajew immer noch ein roter Teppich ausgebreitet wird. Nasarbajew ist immer noch im Amt und seine Macht war noch nie so stark gewesen.
Verfolgt von Spionen in Genf
Sie sprechen über beseitigte Gegners und über brutale Repression des Regimes. Sie fühlen sich in Genf bedroht?
Im Dezember wurde ich von Menschen verfolgt, die sich als Fachleute auf dem Gebiet der Überwachung benommen haben, die das Aussehen während des Tages geändert haben, um nicht bemerkt zu werden. Ich verstehe nicht, warum das Geld der Menschen in Kasachstan dafür verwendet wird. Auch in der Schweiz fühle ich mich nicht 100% sicher. Ich bin hilflos, ich kann meine Familie nicht schützen. Diese Situation ist schwer zu akzeptieren.
Glauben Sie, dass die Schweiz in Beziehungen zu Kasachstan wirtschaftliche Interessen vorzieht?
Ich glaube nicht, dass 5 oder 6 Millionen Tonnen kasachischen Erdöls dafür genug sind, die Schweizer Politik zu beeinflussen. Oder dass Kasachstan, deren BIP 230 Mrd. US-Dollar beträgt, die Politik in der Schweiz, in Frankreich oder Großbritannien beeinflussen kann.
Sie klagten sich über die Computerspionage in Genf. War eine Untersuchung eingeleitet?
Ich wurde den zahlreichen Cyberangriffen ausgesetzt. Ich erhielt Brief angeblich von Verwandten, welche” Trojane” enthalten haben, um meinen Computer auszuspähen. Die Nachrichten wurden analysiert, die Anwesenheit dieser Viren wurde bestätigt. Ich habe eine Klage angebracht. Die Polizei hat eine Untersuchung eingeleitet.