Kasachstan unter Spionageverdacht
Bundesanwaltschaft führt ein Strafverfahren wegen mutmasslicher Verbrechen gegen den Schweizer Staat.
Der kasachische Herrscher und Regimegegner liefern sich eine erbitterte Fehde am Genfersee. Jetzt gibt es sogar Verdachtsmomente für kasachische Spionage in der Schweiz. Die Bundesanwaltschaft untersucht.
Eine seit Jahren andauernde Fehde zwischen mehreren kasachischen Oligarchen-Clans beschäftigt zunehmend die Schweizer Strafverfolger. Die Bundesanwaltschaft (BA) verfügt offensichtlich über Anhaltspunkte, dass ausländische Akteure – mutmasslich in kasachischem Auftrag – in der Schweiz illegal tätig geworden sind. Sie hat in dieser Sache ein Strafverfahren eröffnet.
Gemäss offiziellen Dokumenten der BA geht es um mutmassliche «Verbrechen und Vergehen gegen den Schweizer Staat und die Landesverteidigung». Unter diesem Titel zusammengefasst sind im Schweizer Strafgesetzbuch Tatbestände wie Wirtschaftsspionage, militärischer Nachrichtendienst und Handlungen für einen fremden Staat. Die Bundesanwaltschaft gibt zu dem Fall keinerlei Informationen – «mit Blick auf Amts- und Untersuchungsgeheimnis», wie eine BA-Sprecherin mitteilt.
Die vorliegenden Dokumente zeigen jedoch, dass sich das Verfahren im Dunstkreis der kasachischen Familie Chrapunow befindet, die seit 2008 am Genfersee im Exil lebt. Der heute 65-jährige Wiktor Chrapunow war einst kasachischer Minister und Bürgermeister der Millionenstadt Almaty. 2008 hatte sich das (heute geschiedene) Ehepaar Chrapunow jedoch mit Präsident Nursultan Nasarbajew überworfen, der Kasachstan seit 24 Jahren mit eiserner Hand regiert. Ein Asylgesuch der Chrapunows ist in Bern hängig.
GPS-Sender und Viren
Der epische Kampf zwischen dem Chrapunow-Clan und dem Nasarbajew-Regime war schon vorher verworren genug (vgl. Zusatzartikel). Doch jetzt kommt auch noch der Spionageverdacht ins Spiel. Mehrere Personen aus dem Schweizer Umfeld der Chrapunows haben Strafanzeige eingereicht mit dem Vorwurf, sie seien in der Schweiz ausspioniert worden, ihre Computer seien gehackt und mit Spionage-Programmen infiziert worden. Diese Programme seien jeweils von gefälschten E-Mail-Adressen und unter Tarnnamen verschickt worden, die offensichtlich speziell auf die Chrapunow-Entourage zugeschnitten gewesen seien. Schon 2010 wollen Chrapunows Sohn und Schwiegertochter in Genf einen GPS-Spionage-Sender in ihrem Auto entdeckt haben. Anfang 2013 reichten ein Genfer Anwalt der Familie sowie Wiktor Chrapunow selber je eine Strafanzeige ein mit dem Vorwurf, Unbekannte hätten ihre Computer manipuliert.
Bundesanwalt übernimmt
Gestützt auf diese Strafanzeigen hat der Genfer Staatsanwalt Jean-Bernard Schmid ein Strafverfahren eröffnet. Die Genfer Polizei führte Ermittlungen durch. Anfang 2014 musste Schmid den Fall jedoch an die Bundesanwaltschaft abtreten, wie er bestätigt. Carlo Bulletti, Leitender Staatsanwalt des Bundes für Staatsschutz, übernahm den Fall. Da es sich um mutmassliche Verbrechen gegen den Staat handle, sei die Bundesanwaltschaft zuständig, schrieb Bulletti am 7. Januar 2014 nach Genf.
Die angeblichen Hackerangriffe gehen derweil weiter. Wie erst jetzt bekannt wird, hat Marc Comina, der Kommunikationsberater der Chrapunows, im März 2014 eine vierte Strafanzeige eingereicht, und zwar bei der Waadtländer Staatsanwaltschaft. Laut eigenen Angaben hat Comina einen E-Mail-Anhang mit dem Namen «HowFarWillNazarbajewGo.zip» geöffnet. Abklärungen hätten dann gezeigt, dass der Anhang ein Spionage-Programm auf seinem Computer installiert habe. Comina mutmasst, der kasachische Geheimdienst stehe hinter dem Angriff auf seinen Computer.
Ein Partner der Schweiz
Auch dieser Fall liegt inzwischen in Bern. Der Waadtländer Staatsanwalt Jean Treccani kam nach einer ersten Analyse zum Schluss, es könnte sich um wirtschaftlichen oder politischen Nachrichtendienst handeln, und schaltete unverzüglich die Bundesanwaltschaft ein.
Für die offizielle Schweiz ist die kasachische Fehde auf Schweizer Territorium nicht unproblematisch. Kasachstan gehört zur Schweizer Stimmrechtsgruppe beim Währungsfonds. Zudem importiert die Schweiz substanzielle Mengen Rohöl aus Kasachstan.