Kasachstan ist alles andere als ein Schurkenstaat
Es klingt nach einem Politthriller: Laut «NZZ» soll der Schweizer Ex-Botschafter Thomas Borer im Auftrag der kasachischen Regierung die Schweizer Behörden unter Druck setzen. Das Ziel: die Auslieferung des politischen Flüchtlings Viktor Chrapunow. Chrapunow stand weit oben auf der politischen Leiter in Kasachstan – bis es zum Bruch mit dem Regime kam. Geflüchtet nach Genf, ist er zu einem gefürchteten Kasachstan-Kritiker geworden. Die kasachische Regierung wirft ihm Korruption vor und hat ihn per Interpol zur Verhaftung ausgeschrieben. Bisher hat die Schweiz alle Forderungen abgewiesen. Borer soll dies ändern. 30 000 Dollar ist dies der kasachischen Regierung monatlich wert. Borer schreibt in einem abgefangenen E-Mail, dass er eine Interpellation vorbereitet habe, die durch «freundlich gesinnte Parlamentsmitglieder» eingereicht werden soll. Dieses «freundlich gesinnte Parlamentsmitglied» ist der Baselbieter SVP-Nationalrat Christian Miesch. Was ist seine Rolle in diesem Politthriller?
Herr Miesch, Herr Borer hat laut «NZZ» durch Sie eine Interpellation eingereicht. Sind Sie der Briefkasten der Lobbyisten?
Christian Miesch: Nein, sicher nicht. Mit der Materie Kasachstan habe ich mich schon seit langem befasst. Ich war Präsident, jetzt Sekretär der von mir gegründeten parlamentarischen Gruppe Schweiz – Kasachstan. Ausserdem habe ich sehr viele Kontakte im kasachischen Parlament. Wenn diese Politiker in die Schweiz kommen, ist der Fall Chrapunow jedes Mal ein Thema.
Die Interpellation stammt also nicht von Herrn Borer, wie er in einem veröffentlichten E-Mail schreibt?
Nein, ich habe schon vorher Aktivitä- ten in dieser Sache entwickelt. Natürlich sind wir in Kontakt gestanden. Die Interpellation hatte ich aber schon vorher entworfen und diese nach Absprache mit ihm definitiv eingereicht. Die Interpellation habe ich aber als Sekretär der Gruppe «Schweiz – Kasachstan» verfasst, im Interesse von Kasachstan eingereicht, nicht im Interesse von Borer
Wieso gibt Herr Borer die Interpellation laut «NZZ» als sein Verdienst aus?
Das ist in der Politik so, jeder nimmt eine Aktivität auf seine Kappe. Der Fall Chrapunow war mir aber schon immer ein Anliegen. Borer und ich haben uns kurzgeschlossen, weil ich wusste, dass er sich auch mit diesem Thema beschäftigt. Also haben Sie von Borers Beziehung zu Kasachstan gewusst? Ja, davon habe ich gewusst.
Auch, dass er dafür monatlich mit 30 000 Dollar entschädigt wird?
Nein, das wusste ich nicht. Es interessierte mich auch nicht speziell, weil ich die Interpellation im Interesse des Staates Kasachstan eingereicht habe.
Wieso unterstützen Sie einen Staat, der es mit den Menschenrechten nicht so genau nimmt?
Das höre ich immer wieder. 2004 reiste ich das erste Mal nach Kasachstan, seitdem kann ich die Entwicklung dieses Landes mitverfolgen. Kasachstan hat sich extrem verbessert. Klar, die Demokratisierung und gerade die Menschenrechte und Pressefreiheit verbessern sich nicht von einem Tag auf den anderen. Inzwischen sind aber bereits drei Parteien im Parlament vertreten, und es existiert eine funktionierende Opposition. Eine Entwicklung ist im Gang.
Sie fordern in Ihrer Interpellation, dass der wegen Korruption verdächtigte Chrapunow ausgeliefert werden soll.
Das hat man in anderen Fällen auch getan. Der Bundesrat hat bei anderen Rechtshilfegesuchen relativ rasch Konten gesperrt. Aber im Fall Chrapunow ist noch nicht viel passiert.
Es gibt aber doch einen Unterschied, ob man Konten in der Schweiz einfriert oder jemanden in einen Schurkenstaat ausliefert, ohne funktionierende Rechtsordnung?
Das ist alles andere als ein «Schurkenstaat», das ist ein Ausdruck der Medienschaffenden. Ich muss mich in aller Form wehren, in Kasachstan ist eine positive Entwicklung im Gang.
Der Bundesrat hat auf Ihre Anfrage geantwortet. Werden Sie das Thema weiterverfolgen?
Die Antwort war nichtssagend. Man kann sich mit der Antwort des Bundesrates einverstanden erklären oder nicht, und ich habe mich selbstverständlich nicht einverstanden erklärt.
Und auch mit Herrn Borer werden Sie weiterhin zusammenarbeiten?
Das steht noch offen, aber wie schon gesagt, wir pflegen schon seit langer Zeit gute Beziehungen. Da spricht man miteinander über Gott und die Welt.
Haben Sie keine Angst, dass der Beitrag in der «NZZ» Ihnen schadet?
Nein, ich mache dies aus Überzeugung, und das weiss auch das Baselbieter Volk. Die Baselbieter wissen, dass – wenn ich von einer Sache überzeugt bin – diese auch aktiv anpacke.