«Gewisse Dinge liefen krumm»
Nationalrat Walter Müller (FDP/SG) gehörte zu den Mitunterzeichnern einer Interpellation, die laut NZZ der Lobbyist Thomas Borer im Auftrag des autoritären kasachischen Regimes initiiert hat. Hier erklärt Müller, warum er unterschrieb.
Herr Müller, Sie haben im September eine Interpellation unterschrieben, in der die Auslieferung von Viktor Chrapunow implizit verlangt wird. Dieses Anliegen hat in den vergangenen Tagen einigen Wirbel verursacht (siehe Kasten). Wieso haben Sie unterschrieben?
Walter Müller: Ich war 2014 mit einer parlamentarischen Gruppe in Kasachstan. Dabei wurde uns von Geschädigten und auch von Mitgliedern des Parlaments glaubhaft versichert, dass gewisse Dinge krummgelaufen sind – und Herr Chrapunow daran beteiligt war. Wir wurden dann darum gebeten zu helfen.
Von der kasachischen Regierung?
Müller: Nein, das waren Leute aus oppositionellen Kreisen.
Dann haben Sie die Interpellation im Glauben unterzeichnet, sich für die Opposition einzusetzen?
Müller: Ich will, dass die Angelegenheit korrekt aufgeklärt wird, und habe stets auf die juristische Ebene verwiesen. Als Christian Miesch mich anfragte, habe ich gesagt: Ja, da ist etwas krummgelaufen, das unterschreibe ich.
Nochmals: Sie wussten bei der Unterzeichnung nichts von der Verbindung zum Regime von Nasarbajew, sondern meinten, dass Sie sich für die Opposition einsetzten?
Müller: Ich habe nichts gemeint, ich habe gar nichts gemeint. Es ging mir nicht um Nasarbajew. Wir waren unter anderem an einem Antikorruptionstreffen, verschiedenste Leute waren dort präsent. Es ging darum, dass in Kasachstan ohne ein dickes Portemonnaie nichts geht.
Dann wurden Sie von den Enthüllungen der NZZ bezüglich der Rolle von Thomas Borer bestimmt überrascht. Hätten Sie die Interpellation auch unterzeichnet, wenn Sie gewusst hätten, dass er monatlich 30 000 Dollar aus Kasachstan erhält?
Müller: Ich wusste das nicht. Für mich ist alleine massgebend, und das sage ich noch einmal in aller Deutlichkeit: Ich hatte den Eindruck, dass etwas nicht mit rechten Dingen zugeht. Meine Quelle war nicht die Regierung, sondern die Opposition und angeblich Betroffene.
Also hätten Sie nicht unterschrieben, wenn Sie gewusst hätten, dass es eine Verbindung zu Diktator Nasarbajew gibt?
Müller: Das würde ich so nicht bestätigen. Ich finde es falsch, alles auf die Stufe Borer/Nasarbajew zu reduzieren. Für mich steht die Frage im Zentrum, ob etwas krummgelaufen ist. Meine Informationen waren so, und deshalb sollte der Sache auf den Grund gegangen werden.
Letztlich haben Sie sich dafür eingesetzt, dass ein politischer Gegner in ein Land ausgeliefert wird, das kein Rechtsstaat ist.
Müller: Dass Kasachstan kein Rechtsstaat ist, sagen Sie. Ich habe stets auf die Gerichte verwiesen, und die Interpellation verlangt keine Auslieferung.
Wie schätzen Sie denn die politische Lage in Kasachstan ein?
Müller: Ein Stück weit ist das schon eine Diktatur…
…also kann man nicht von einem Rechtsstaat sprechen.
Müller: Das ist mir zu einfach, Vorsicht. Aber man muss sagen: Ein Rechtsstaat in unserem Sinne ist Kasachstan nicht.
Werden Sie sich in der Sache nach den jüngsten Entwicklungen noch weiter einsetzen?
Müller: Wenn Borer den politischen Anwalt spielt, halte ich das nicht für sehr intelligent. Wenn es einen Streitfall gibt, sollen das unsere Gerichte beurteilen.
Sie sitzen im Beirat des Schweizerischen Kompetenzzentrums für Menschenrechte. Müssten Sie da nicht besonders vorsichtig sein, wenn Sie eine Interpellation unterzeichnen, die im Zusammenhang mit einem Regime steht, das nicht gerade dafür bekannt ist, die Menschenrechte zu achten?
Müller: Genau deshalb ist es wichtig, dass man hinhört und sich einsetzt. Wir haben uns ja nicht von der Regierung bezirzen lassen, sondern haben mit beiden Seiten gesprochen. Von daher gesehen finde ich es zu einfach, wenn man aus der Ferne pauschal sagt, was gut ist und was böse.
Würden Sie rückblickend wieder alles gleich machen?
Müller: Das ist eine andere Frage. Wenn ich gewusst hätte, dass es vor allem um einen Machtkampf geht, hätte ich wohl von der Einreichung einer Interpellation abgeraten.er NZZ habe den gesamten Datensatz mit rund 60’000 Dokumenten ausgewertet. Die Daten seien bis mindestens Ende letzter Woche auf der fraglichen Website verfügbar gewesen. Die NZZ könne dies belegen.
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Quelle: St. Galler Tagblatt